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Mittwoch, 24. Juni 2015

Sexualisierte Gewalt in Mainzer KIndertagesstätte?



(netzwerkB) In der Mainzer Kindertagesstätte ‘Maria Königin‘ soll es unter Drei- bis Sechsjährigen über Monate hinweg zu sexualisierter Gewalt gekommen sein - ErzieherInnen wurden gefeuert. Wieso eine unkonventionelle Art der Entlassung von MitarbeiterInnen und die Ablehnung von Verantwortung das Bandenwesen sowohl ermöglicht als auch bedingt und am Ende die Entlassung der MitarbeiterInnen begründet. 


Die vorgenommene Entlassung ihrer sieben Angestellten hat dem Träger der Mainzer Kita Maria Königin bislang kaum öffentliche Kritik eingebracht. Man könnte meinen, die ErzieherInnen hätten mit ihrem dienstlichen Verhalten das Geschehene allein ermöglicht und hervorgebracht und es damit auch allein zu verantworten und im ganzen Land sei das allen völlig klar. 

Tatsächlich aber begibt sich der Träger aus seiner Verantwortung heraus und wird darin bislang weitgehend in Ruhe gelassen. Dabei verstärkt er dadurch nochmals einen Kreislauf, der mit hoher Wahrscheinlichkeit ein tatsächlicher Faktor zur Ermöglichung der skandalösen Vorgänge ist: Er bestätigt das Nicht-Reden mit seinen Angestellten, die Nicht-Auseinandersetzung mit den grundlegenden Strukturen innerhalb seiner verwalteten Arbeitsstätten. Oder anders gesagt, die verantwortliche Ebene, die sogenannte Führungsebene, gibt wie selbstverständlich die Verantwortung an seine ausführende Ebene, die Angestellten, ab, sobald etwas zu sehr schief läuft, und lässt damit diese mit ihrer Klientel, den Kindern, deren Eltern und Angehörigen nämlich, im Stich. Man will mit all dem nichts zu tun haben.
  
Mit dieser Haltung aber, die auch noch deutlich demonstriert wird, verändert man jene Strukturen nicht, die zum Skandal geführt haben. Es wird nicht mal als real akzeptiert, dass es entsprechende Strukturen gibt, sondern es wird der Anschein erweckt, es läge an sieben Personen, die man damals dann wohl irrtümlich eingestellt hatte. Hier tut sich eine Kluft auf zwischen zweierlei Positionen von Menschen – je nachdem, wo man steht – und nicht nur in diesem Fall. Es gelingt in manchen Positionen erstaunlich leicht, Verantwortung zu negieren, ohne daran gehindert oder manchmal gar nur dafür kritisiert zu werden, so als würde es kaum noch bemerkt werden, während auf der anderen Seite der Kluft, wo die Verantwortung nicht verleugnet werden kann, ja wo Menschen wie diese ErzieherInnen geradezu in die Verantwortung entlassen werden, Vereinzelung, Sprachlosigkeit, Auflösung von Struktur, von Bindung und Vertrauen und teilweise ein Zerfall der Verhaltenskultur eingesetzt hat. 

 So kann es kommen, dass Eltern ihre Kinder aus der Kita abmelden, aber sonst nichts weiter unternehmen, sondern wahrscheinlich froh sind, dass sie überhaupt noch Handlungsmöglichkeiten haben und nicht völlig der Willkür des sich abspielenden Szenarios ausgesetzt sind. Ein paar Mittel sind womöglich noch da: das Wissen von anderen Kitas in der Nähe, die Wahrnehmung davon, dass etwas nicht stimmt, etwas Geld (genug zumindest), um sich eine andere Kindertagesstätte zu leisten, Zeit und Entscheidungsfähigkeit. 

Was fehlt, ist Vertrauen:  Vertrauen in das Gesetz, in die Kita-Leitung und den Träger, Vertrauen in den Staat – in die verantwortlichen Ebenen eben. Aber selbst das Vertrauen in die Nachbarschaft bzw. in andere Eltern, in Mitbetroffene ist vielfach verloren gegangen. Selbst die anderen Eltern wurden in diesem Fall nicht informiert. Und Gründe dafür sind leicht zu vermuten: Vielleicht wird man von anderen nicht verstanden? Oder man muss nah miterleben, dass da Eltern sind, die nicht verstehen, dass da was vor sich geht, was nicht in Ordnung ist. Eltern, die keine Orientierung haben, was denn nun Ordnung überhaupt ist, oder die einfach kein Geld haben. Oder man wird missverstanden, angegriffen, beschimpft. Vielleicht trifft man auf Eltern, die genau das, was in dieser Kita in der einen Form vor sich ging, zu Hause mit ihren Kindern auch, in irgendeiner anderen Form, tun? Weiß man das noch? 

Seien wir ehrlich: Es ist einfach nicht selbstverständlich, anzunehmen, dass in der Nachbarschaft alle ihre Kinder lieben und nur deren Bestes wollen und alles dafür tun, dass es ihnen gut geht. Seien wir so mutig und gestehen es ein: Die Zeit, völlig sorgenfrei an dieses Märchen zu glauben, ist vorbei. Aber eben nicht für alle! Genügend halten noch daran fest, und wollen von möglichen Missbrauchsfällen nichts wissen. Und damit nicht genug. Die Zeit, an dieses Märchen zu glauben, mag vorbei sein für einige, die verstanden haben, aber – und das ist das Dilemma – es gibt keine auch nur annähernd ausreichende staatliche Handhabe, keine Aufmerksamkeit in der Allgemeinheit, es gibt keinen Platz, an dem jemand unbekümmert diese Erkenntnis mitteilen könnte, ohne Repressalien fürchten zu müssen. 

Soziales Miteinander 
Zurück zu den Eltern, die ihre Kinder abgemeldet, aber sonst nichts getan haben und zu ausgearteten Vorgängen in der Kita Maria Königin und dessen Träger, der mal so eben seine Angestellten feuerte. Das ist möglich, weil das ganze Umfeld des sozialen Miteinander und das ganze, dies tragende System in einer Krise steckt, weil das tragende System nichts mehr trägt außer sich selbst mit den Kräften derer, die noch irgendwas erarbeiten, was wirklichen Wert hat. Und so ist jene Mutter und jener Vater wohl froh, der aus dem Krisenherd für den Moment entkommen und ein Problem umgehen kann. Auf dieser Seite der Kluft gibt es kaum noch Handhabe, nur noch vielleicht gibt es eine Chance auf Verständnis und Unterstützung. Die Erfahrung von Selbstbestimmung, von so etwas wie Eigenmächtigkeit, von Macht eben, ist gering. 

Unter diesen Umständen ist es keineswegs eine überraschende Beobachtung, dass sich Banden gründen. Dass dies auch bei Vorschulkindern geschieht ist das Sensationelle an diesem Skandal, aber eben auch nur deswegen, weil diese Kinder übergriffig und missbräuchlich zu handeln in der Lage waren. Mit „Fantasie“ hat das nichts zu tun. Was geschieht in einem Feld, in dem Eigenmächtigkeit, also kurz und kalt „Macht“ genannt, abgezogen wird? Was geschieht mit dem Rest an Macht, die noch auffindbar ist? Wo Menschen sind, entsteht Macht. Man kann über Menschen Macht haben und ausüben. Dafür reicht einer und ein anderer. Wenn in einem Feld, dem Millionen Menschen innerhalb eines Staates angehören, kaum noch Eigenständigkeit vorhanden ist, bilden sich automatisch Zusammenschlüsse, die sich innerhalb dieser unangenehmen Bedingungen, wenigstens ein Stück weit Autonomie zu bewahren versuchen. Das kann man in einem Miteinander versuchen zu organisieren – dann spricht man von Gruppen oder Gruppierungen – oder es wird zur Unterdrückung anderer getan, dann wird möglicherweise von Banden gesprochen.
Eine Bande kann zum Ziel haben, den Rest der verknappten Machtressourcen zu beanspruchen, um sich den Zugriff auf die in ihrer Reichweite befindlichen Menschen zu sichern. Das gibt Sicherheit und Handhabe zurück. Oder sie kann vielleicht ohne Wissen ihres eigenen Tuns agieren, rein triebhaft gesteuert also und ahmt ohne Rücksicht schlicht das nach, was zu ihrer eigenen Lage geführt hat. Und was zur eigenen Lage führt, dürfte Menschen bekannt sein, denn es handelt sich um die Stimmungen, Handlungen, Taten, Haltungen usw., die sie täglich erleben und denen sie nicht entgehen können. Man muss diese nicht verstehen – man kennt sie tiefgründig! Es ist das alltäglich erlebte Handeln gegen Unterlegene! Ist es nicht wahrscheinlich, dass jene kleinen Knirpse, wie man sie noch nennen mag, genau so zu ihrem Tun gekommen sind? Ihnen ist das Handeln gegen Unterlegene wahrscheinlich bekannt. Wem ist das nicht bekannt? Es ist allen bekannt! Und seit diesem Fall lässt sich ahnen, dass es auch Kleinkindern bekannt ist.

Macht über andere ausüben
Nicht verhandeln! Keine Verantwortung für etwaige Schäden des anderen anerkennen! Manch anderes ist gänzlich unbewusst, wahrscheinlich nicht nur bei Kindern: Sich mit ein paar anderen zusammentun und dann etwas ausagieren; etwas tun, was etwas anderes im Inneren abhält, sich bemerkbar zu machen und zu Gefühl zu werden. Ohne dass man weiß, warum man überhaupt tut was man tut, tut man es. Das bedeutet es, triebgesteuert zu sein! Und wenn es einen Sinn macht, auch wenn einem selbst dieser Sinn nicht zugänglich ist, beginnen Menschen, auch Knirpse wie man sieht, sich dieses Feld, in dem das gelingt, erhalten zu wollen und so sorgten auch sie dafür, dass es erhalten blieb, denn es sicherte womöglich das Ausleiten von inneren angestauten, schrecklichen Gefühlen, denen um jeden Preis ausgewichen werden möchte. Damit ist der Mensch, der so handelt beim Macht-über-andere-ausüben angelangt. Wie von selbst. Oder eher, wie ohne sich selbst. Denn das ist wahrscheinlicher der Fall. Aber diese Kinder müssen einen inneren Grund gehabt haben (und haben ihn noch immer – da nützt die Entlassung der ErzieherInnen rein gar nichts!), dass sie ihre übergriffigen Handlungen weiter fortführten und immer wiederholten. Sie haben einen Grund. Und obwohl es erst kleine Kinder sind, finden sie sich in einer Gesellschaft, die gewillt ist, nichts weiter zu unternehmen, was sie betrifft!

Überlebenskampf allerorten gegen gemeinsames Sein und Gestalten. Ist das unsere Gesellschaft? Ist das noch Gesellschaft? Wohl kaum. Aber es ist Tatsache, es ist Fakt, was in Maria Königin geschehen ist. Jedenfalls ist das Tun an sich, auch das von kleinen Kindern hier (in unserer Gesellschaft) schon lange vorhanden. Irgendwo müssen sie es ja her und erlernt haben. Und jedenfalls führt eine so beschriebene Zerklüftung zwischen Menschen inmitten ihrer Berührungspunkte und Beziehungsfelder allerorts zu vielfältigen Abwehrhandlungen, denn Beziehung und Gemeinschaft sind Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Sind diese nicht gegeben wird triebhaftes Handeln stärker, notgedrungen ist das so! Das Triebhafte kann nur dann reguliert werden, wenn Bedrohungen, die ein Mensch erlebt, durch Gemeinschaft so erscheinen, dass sie zu bewältigen seien. 

Bei Zusammenbruch des notwendigen sozialen Zusammenhalts ist das Entstehen von wahl- und ziellosen Zusammenschlüssen (oder Banden) zu erwarten und in diesem Fall ist es sogar bei Kleinkindern aufgetreten, die eine Kita zu einem Platz des Ausagierens, wahrscheinlich von Aggressionen und unverstandenen Schmerz, Rache und Lust an der Macht über andere machen konnten. Auch weil die dort vorhandene Struktur einem solchen Treiben nichts entgegensetzte und das sollte den Träger interessieren! Dies ist für die „zuständige“ katholische Kirche aber dann wiederum zur Begründung erwachsen, ihr dort eingestelltes Personal zu entlassen. 

Für Rückfragen: netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V. Telefon: +49 (0)4503 892782 oder +49 (0)160 2131313 www.netzwerkB.org