Montag, 15. Mai 2017

Wie stehen pflegende Angehörige da? Kommen Sie an die versprochenen Leistungen?

Der Sozialverband VdK weist erneut daruf hin, dass pflegende Angehörige besser unterstützt werden müssen. Wie wahr! Unterhalten Sie sich einmal mit pflegenden Angehörigen, die unter Umständen schwierige, pflegeintensive oder demente Verwandten zu Hause pflegen. Trotz Pflegereform bleiben finanzielle, zeitliche und organisatorische Hürden bestehen.

Pflegestützpunkte sind weiterhin und stärker notwendig. Viele pflegende Angehörige fühlen sich nicht ausreichend informiert. Sie suchen wohnortnahe Anlaufstellen, die schnell Auskunft über Unterstützungsangebote, Hilfen und Entlastungsmöglichkeiten geben. Und jetzt kommt's: Informationen, die Klartext reden, was geht, und was nicht. Denn nicht alle angepriesenen Leistungen halten, was sie versprechen. Es macht keinen Sinn Schönfärberei zu betreiben und Hoffnung zu machen, die Leute in die Pflege zu Hause zu lotsen, wenn sie dieses und jenes nicht bezahlt bekommen.“ Und alleine sind! Der Papierkrieg, die Transportscheine bei mangelnder Mobilität, die Genehmigungen der Kranken- und Pflegekasse, die Wartezeiträume, das zur Verfügung stehende Budget ...


Viele Hilfsmittel werden nicht bezahlt oder sind ineffektiv. Die rentenrechtliche Gleichstellung von Familienpflege- und Kindererziehungszeiten ist noch nicht geschafft. Das Wichtigste für unser alltägliches Leben, wie die Unversehrtheit unserer Renten seitens des Staates, die Versicherungsleistungen ohne Lüge, List und Tücke seitens der Versicherer, die Reinheit und sinnvolle (!) Deklarierung unserer Lebensmittel undundund. Mit allen möglichen Tricks, Zeiträumen, Ausfallszeiten, Hürden, Abzügen, Fehldeklarierungen und Falschangaben werden den Leuten die Leistungen beschnitten. Der Job eine Wackelpartie, wenn die Familie mehr Zuwendung braucht, und dann noch Pflege zu Hause? Wer's macht, ohne dabei zu arbeiten, zieht auf gut Deutsch den Schwarzen Peter. Es winken im besten Fall ein bisschen soziale Anerkennung, aber ganz viel Altersarmut mit ein bisschen Sozialamt aufgrund fehlender rentenbezogener Sicherungen. Nur die klassische Hausfrau, die eh ohne Arbeit nur Minirente plus im besten Fall Witwenrente erhoffen kann, macht das günstig mit. Wie billig und heutzutage lächerlich! Eine Extremdiskriminierung. 

Die erhöhte Unvereinbarkeit von Pflege und Beruf wie Kinder und Beruf braucht völlig neue Modelle bei Arbeitgebern. Da lässt sich auch noch mehr staatlich einrichten und nicht nur Andeutungen. „Ein paar Dutzend Firmen und Konzerne bieten das annähernd, aber der große Rest NICHT. Allein es fehlt der Wille, diese essentiellen Bedürfnisse zuerst zu regeln! Der Mensch, die Familien stehen im Vordergrund. Hier brauchen wir die Politik, hier müssen die Gewählten Lösungen einrichten, nicht dieses abgehobene Umsichselbstkreisen mit Showcharakter in Parlamenten.

Der entstehende Stress wegen Zeitmangels und die Sorge, wegen der Pflege die restliche Familie, Freunde und den Job zu vernachlässigen, sind extrem große Belastungsfaktoren“. Es ist ein großes Opfer, das man für seine Lieben bringen muss. Statt dass es selbstverständlich ist, hier solide und richtig zu helfen! Der Sozialverband VdK fordert die Einführung einer aus Steuermitteln finanzierten Lohnersatzleistung in Anlehnung an das Elterngeld. „Das ist der richtige Weg, um den Angehörigen Teilzeittätigkeit und Pflege parallel zu ermöglichen. An der fehlenden finanziellen Abfederung ist die Familienpflegezeit bisher gescheitert“. Statt dessen wird der Wirtschaftszweig Altenpflege aufgezogen, Heime überall, Alte raus aus der Wohnung/dem Haus, der in der Realität in Fließbandabfertigung der Alten endet, weil so viele Arbeitskräfte wie nötig aus betriebswirtschaflichen Gründen das gar nicht machen können. Mit Billigarbeitern wird der Alltag durchgepflügt, die preiswerten Heime überfüllt, laut, meistens nicht auszuhalten. Mit zunehmendem Einkommen/Rente wird es gemütlicher, aber auch sehr teuer, nur schmerzt es diese Nutzer nicht so. Sind keine Erben da, ist es egal, aber sonst ärgern sich alle, die erben könnten und auf die Erwirtschaftungstrategie der Familie setzen, aber Zehntausende in die Altenpflege pumpen müssen. 


Verbesserungen im Bereich Pflege sind wie dargestellt nötig. Was noch fehlt ist die Anpassung der Pflegeleistungen. „Eine jährliche automatische Anpassung der Pflegeversicherungsleistungen an die Kostensteigerungen in der Pflege ist notwendig, damit nicht immer mehr Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen sind“. Ist es nicht sogar besser, mehr staatliche Heime einzurichten, die ordentlich ausgestattet und mit attraktiven Arbeitsplätzen winkend, einen Teil der Altenpflege übernehmen? Zudem müssten Entlastungsangebote weiter ausgebaut werden. Absurd, wenn Entlastungsleistungen Haushalt bei zwei bis drei Stunden im Monat enden, weil die Pflegedienste oder Fachkräfte für die Beträge, die gezahlt werden, zu teuer sind und andere das nicht leisten dürfen! 


Sonntag, 7. Mai 2017

Bürgerbeteiligung: Wird Europa mitbestimmbar oder Halten EBI, was sie versprechen?

(Mehr Demokratie e.V.) Heute ist die Stichwahl für das Präsidentenamt in Frankreich. Dabei wird es auch um Europa gehen: Mehr oder weniger Europa? Dies hat bereits beim Wahlkampf in den Niederlanden eine Rolle gespielt. 

Seit dem Brexit wird die Europa-Debatte heftiger geführt. In vielen Städten ziehen Menschen sonntags für die europäische Idee unter dem Motto „Pulse of Europe“ auf die Straßen. Sie machen Europa zu ihrer Sache und gehen auf Brüssel zu. Aber bewegt sich auch Brüssel auf die Bürger/innen zu? 

Hier wird die Europäische Bürgerinitiative, kurz: EBI, zum Prüfstein. Mit ihr können Bürgerinnen und Bürger, wenn sie eine Million Unterschriften sammeln, der EU-Kommission Vorschläge unterbreiten. Theoretisch. Praktisch ist die EBI nicht der kräftigste Tiger der Bürgerbeteiligung. Das haben wir gemerkt, als wir eine offizielle EBI gegen TTIP starten wollten. Sie wurde nicht zugelassen. Dagegen haben wir vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. 

Nun steht das Urteil an: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird am 10. Mai eine wichtige Weiche dafür stellen, ob sich die EBI zu einem wirkungsvolleren Partizipationsinstrument entwickeln kann – oder ob die Bürger/innen weiter Zaungäste sein müssen. Mit dem Urteil werden Grundsatzfragen geklärt: Dürfen EBIs auch negativ formuliert sein, also darauf gerichtet sein, einen Rechtsakt nicht zu erlassen? Und dürfen EBIs sich auch auf laufende Verhandlungen internationaler Verträge beziehen, oder nur auf bereits abgeschlossene Verträge? 

Wenn Bürger/innen nur dann aktiv werden können, wenn die EU-Institutionen ohnehin schon alle wichtigen Vorentscheidungen getroffen haben, wird den Europäischen Bürgerinitiativen der letzte Zahn gezogen. 

Für die EBI hat der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, die Zeichen auf Hoffnung gestellt, er kündigte jüngst an: „Ich möchte die EBI zugänglicher und bürgerfreundlicher machen. Ich möchte, dass die EBI ein populäres und lebendiges Instrument wird, das die Bürgerinnen und Bürger kennen.“ Ermutigend! Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs und der von der Kommission angekündigten EBI-Reform wird sich zeigen, wie ernst es den Brüsseler Spitzen mit einem Europa der Bürgerinnen und Bürger ist. 

Unsere Positionen zur Demokratisierung der EU finden Sie hier...

Mittwoch, 3. Mai 2017

Formen der Zensur: Keine Möglichkeiten der Wissenserweiterung mehr in der Türkei

Die Türkei hat den Zugriff auf Wikipedia blockiert, weil die Türkei mit "Terrororganisationen gleichgesetzt werde". Das berichtet die SZ München der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu folgend und beruft sich auf eine Erklärung des für die Sperrung zuständigen Ministeriums. Wikipedia, so soll in dem Schreiben stehen, sei Teil einer "Hetzkampagne gegen die Türkei auf der internationalen Bühne". Erst wenn ein nationales Wikipediabüro eingerichtet würde, das zur Verantwortung gezogen werden könnte (z.B. Verhaftung), sei eine erneute Freigabe möglich.

Das Netzwerk Turkey Blocks, das sich selbst als unabhängiges "digitales Transparenzprojekt" bezeichnet, teilte mit, Nutzer in der Türkei hätten seit Samstagmorgen keinen Zugang zu allen Sprachausgaben von Wikipedia. Die Seite sei zunächst ohne Gerichtsanordnung blockiert worden, doch werde eine solche Verfügung in den kommenden Tagen erwartet. 

Dienstag, 2. Mai 2017

Auschwitz-Prozess in Neubrandenburg verzögert

Erinnern Sie sich an das Schicksal von Anne Frank? Die Familie von Anne ist vor den Nazis in die Niederlande geflohen. Doch ihr Versteck in Amsterdam, in dem Anne ihr später weltberühmtes Tagebuch schrieb, wurde verraten. Die Familie wurde verhaftet und nach Auschwitz verschleppt.

Einer der letzten Auschwitz-Prozesse ist aktuell am Landgericht Neubrandenburg anhängig. Es ist zugleich der erste Prozess zur Deportation der Familie Frank. Angeklagt ist Hubert Zafke, der damals als SS-Mann im Vernichtungslager Auschwitz war. Ihm wird vorgeworfen, in mindestens 3.861 Fällen Beihilfe zum Mord geleistet zu haben.

Der Angeklagte zeigt keine Reue. Und behauptet sogar, er habe nichts gewusst. Dass Auschwitz eine Mordfabrik war, konnte ihm beim Anblick der ausgezehrten Häftlinge, Gaskammern und Krematorien aber nicht verborgen geblieben sein.

Was hat Hubert Zafke, der auch in Dachau, Neuengamme, Sachsenhausen und Groß-Rosen eingesetzt war, als Sanitätsdienstgrad und Angehöriger der SS-Sanitätsstaffel im KZ Auschwitz-Birkenau getan, gehört und gesehen? Was weiß er über sogenannte SS-Sanitäter zu berichten, die kranken Häftlingen tödliche Injektionen verabreichten und Zyklon B in die Gaskammern schütteten? Darauf etwa könnte der Prozess in Neubrandenburg Antworten geben. 


Doch das Landgericht Neubrandenburg zeigt kein Interesse, den Fall zu verhandeln und verzögert das Verfahren. 

Mindestens 14 Deportationszüge trafen ein, während Zafke in Auschwitz war. Mit dem Transport, in dem Anne Frank war, wurden über tausend Menschen deportiert. Alle Kinder unter 15 Jahren wurden direkt nach der Ankunft ermordet. Unter ihnen waren die 7-jährige Mirjam Katz und die 8-jährige Ursula Gerson. Auch ihre Familien hatten in den Niederlanden Zuflucht gesucht. Anne Frank und ihre Schwester Margot starben kurz vor Ende des Krieges, krank und völlig ausgezehrt, im Konzentrationslager Bergen-Belsen.

Jahrzehnte blieben die Täter von damals weitgehend ungestraft. Nun droht auch der Prozess gegen Hubert Zafke zu scheitern.
Auschwitz-Überlebenden begegnen die Richter der Schwurgerichtskammer mit Missachtung: Zwei Nebenkläger, die durch das Strafverfahren Gerechtigkeit für ihre in Auschwitz ermordete Mutter erwarteten, versuchte man aus dem Verfahren zu werfen.

Zahlreiche Befangenheitsanträge wurden vom Gericht als unbegründet zurückgewiesen. Inzwischen wurde Strafanzeige wegen Rechtsbeugung erstattet!

Wir fordern, den Prozess gegen Hubert Zafke unverzüglich neu zu eröffnen und endlich zu verhandeln! Die Hoffnung, dass in diesem Verfahren noch ein Urteil gesprochen wird und den Opfern und ihren Angehörigen damit ein Stück weit Gerechtigkeit zuteil wird, geben wir nicht auf.

Ein OFFENER BRIEF von Holocaust-Überlebenden und Akteuren aus Bildung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wurde in nur drei Wochen von mehr als 15.000 Menschen unterstützt.


Hochachtungsvoll

Roman Guski, 
Context. Bausteine für historische und politische Bildung e.V.
Dr. Constanze Jaiser, 
Agentur für Bildung – Geschichte, Politik und Medien e.V.



Unterstützen Sie diesen Offenen Brief mit Ihrer Unterschrift?